Die Oberligaherren des MTV 1860 Altlandsberg trennen sich vom Tabellenführer Füchse Berlin II nach hoch spannenden und in der Schlussphase sogar hoch dramatischen 60 Minuten 22:22 (10:11) unentschieden.

Wie anfangen? Vielleicht so: Der MTV zieht mit dem HSV Insel Usedom gleich. Das sind die bisher einzigen Teams der Oberliga Ostsee-Spree, die den Tabellenführern, der Bundesligareserve der Berliner Füchse, einen Punkt abluchsen konnten. Usedom am 9. Dezember. Der MTV am vergangenen Samstag. Ein Fakt, der ein wohlwollendes Licht auf alle Beteiligten fallen lässt. Auf die Füchse, weil sie übermächtig die Liga beherrschen. Auf Usedom und den MTV, weil beide dieser Übermacht mit Herzblut, Glück und Spucke trotzen konnten.

Oder so: Gemessen an den 86.400 Sekunden eines Tages sind 200 Sekunden eine eher vernachlässigbare Größe. Gemessen an den 3.600 Sekunden eines Handballspieles können 200 Sekunden die Welt bedeuten. Vor allem wenn es die letzten 200 vor dem Abpfiff sind, gefühlt mindestens zehn Minuten dauern und mehr Drama zu bieten haben, als weite Strecken der gesamten Partie zuvor.

Lange Zeit gestalteten beide Teams die Sache realtiv ausgeglichen. Die Begegnung wurde von der soliden Leistung noch soliderer Abwehrreihen dominiert. Ablesbar auch an der Anzeigetafel: Nach 52 gespielten Minuten wiesen beide Mannschaften durchaus überschaubare 18 Treffer auf. Ausgerechnet in der Schlussphase – neudeutsch: Crunch-Time – schienen die Füchse aus ihrer strukturellen Überlegenheit endlich Honig saugen zu können. Ausgerechnet jetzt unterlaufen den Grün-Weißen eine Reihe von Fehlern, die die Gäste gnadenlos nutzen. Über 21:18, gehen die Füchse mit 22:19 in Front. Als die Altlandsberger zum Anwurfkreis eilen, stehen nur noch jene bereits erwähnten 200 Sekunden auf der Uhr.

Sie werden sich als ganz eigenes Drama im Drama erweisen. Das äußere Gerüst der Handlung werden zwei Fouls gröberer Art sein. Eines der Füchse, das zu einer Roten Karte aber nicht zu einem Sieben-Meter führen wird, da es gerade noch rechtzeitig, nämlich 31 Sekunden vor Abpfiff verübt wurde. Eines der Altlandsberger, das, obwohl in den letzten 30 Sekunden der zweiten Halbzeit verübt, weder zu einer Roten Karte, noch zu einem Sieben-Meter führen wird. Darüber echauffieren sich die Berliner so sehr, dass der Fuchs anstatt den letzten Freiwurf auszufühen und damit die Chance auf den Sieg zu wahren, bei Anpfiff mit dem Ball in der Hand losläuft. Logische Folge: Ballbesitz MTV.

Der hatte die Zeit zu diesem Zeitpunkt bereits optimal genutzt. Sie verwanden einen Sieben-Meter und erzielen zwei Feldtore, das letzte acht Sekunden vor dem Ende, welches dank ihm von allen grün-weißen in der Erlengrundhalle frenetisch gefeiert wurde. Aus einer möglihen aber ehrenvollen Altlandsberger Niederlage war eine 22:22 Punkteteilung geworden, die sich mit Fug und Recht wie ein Sieg anfühlte.

Das ist Handball”, freut sich MTV-Coach Tilo Leibrich. “Eine ganze Partie konzentriert sich am Ende auf wenige Sekunden, wie unter einem Brennglas, die alles was bisher geschah, beinahe zur Makulatur werden lassen. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, weil sie die Nerven bewahrt und uns einen wertvollen Punkt gerettet hat. Gegen diese Füchse haben nämlich in dieser Saison nicht viele gepunktet und es werden bis zu ihrem Ende aller Voraussicht nach auch nicht mehr allzuviele werden.”

Natürlich ist es nicht ganz fair, aufgrund des Thrillers am Ende, den Weg dahin komplett auszublenden. Denn um das Unentschieden zu erreichen, musste der MTV zuvor auf Schlagdistanz gehalten werden. Dafür an diesem Samstag Abend hauptsächlich verantwortlich: Florian Riegler, der den ersten Altlandsberger Treffer und am Ende insgesamt sieben markiert, kraftvoll, unwiderstehlich, manchmal gegen jede Chance erfolgreich. Ridha Trabelsi, der an der rechten Außenbahn und wenn es sein muste auch mal vom Kreis keine Gelegenheit ungenutzt ließ kunstvoll einzunetzen, darunter den so wichtigen Anschlusstreffer zum 21:22 in der 59. Minute. Nicht unerwähnt bleiben soll auch Arian Thümmler, aus einer Verletzungszwangspause ins Team zurück gekehrt, der souverän aufspielte und dem das 22:22 acht Sekunden vor Schluss vorbehalten blieb.

Auch der Altlandsberger Übungsleiter war am Ende voll des Lobes für seine Schützlinge, wollte aber nicht nur die Genannten herausgehoben wissen: “Die Abwehr mit dem einmal mehr super aufgelegten Philipp Pohl im Rücken, die gegen eine Truppe wie die Füchse nur 22 Tore zulässt, ist eine herausragende Mannschaftsleistung ersten Ranges . Und ohne die Vorbereitung aller sind auch die Torschützen selten allein erfolgreich. Heute hat das gesamte Team eine besondere Leistung an den Tag gelegt.”

Dem kann man nur unumwunden zustimmen. Von dem zeitweisen Rumpelhandball des vergangenen Wochenendes war nichts, aber auch gar nichts mehr zu sehen. Bevor deshalb böse Zungen anmerken, die MTV-Herren passten sich dem Niveau des Gegners an, sie hier klar gestellt, dass die Grün-Weißen mit ihren Aufgaben wachsen.

MTV

Philipp Pohl (Tor), Emmanuel Frimpong (Tor), Patrick Dörr, Friedrich Hanschel, Kai Herrmann, Stefan Kurth, Marco Leupert 3, Josip Perkovic, Fabian Plaul, Florian Riegler 7, Arian Thümmler 3, Ridha Trabelsi 5, Christian Untermann, Dominic Witkowski 4/2.

Foto: Edgar Nemschok

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