Schicksalsspiel folgt auf Schickspalsspiel. Das ist das derzeitige Schicksal der MTV-Drittligadamen. Am kommenden Samstag sind die aktuellen Tabellendritten des TSV Nord Harrislee in der Erlengrundhalle zu Gast (Anwurf: 19:30 Uhr). Zu sagen, es gäbe einfachere Aufgaben, würde schon allein deshalb in die Irre führen, weil es für die Grün-Weißen Ladies in diesen Tagen gar keine einfachen Aufgaben mehr gibt.
Aufmerksamen Beobachtern wird aufgefallen sein, dass von MTV-Torfrau und Motivationswunder Manon Vernay den ganzen Februar über nichts zu sehen und nichts zu hören war. Nein, sie war nicht etwa verletzt. Manon musste, besser: durfte für ihre Wahlheimat Australien das Nationalleibchen überstreifen und ihre Farben bei der Qualifikationsrunde zur Beach-Handball-WM im russischen Kazan vertreten. Um es kurz zu machen: Australien besiegte mit Manon im Tor Neuseeland und American Samoa jeweils zu Null und ist für die WM qualifiziert. Nebenbei nahm Manon mit ihrem und 32 weiteren Teams noch an den Ozeanischen Beach-Meisterschaften teil, die parallel zur WM-Qualli stattfanden. Hier wurde Manon als beste Torhüterin Ozeaniens ausgezeichnet.
Mit anderen Worten: Es könnte kaum einen besseren Moment für Manon geben, um ins MTV-Team zurückzukehren. Sie bringt mit, was die gesamte Mannschaft dringend nötig hat: Erfolgserlebnisse. Denn die Lage ist seit der unglücklichen 23:27 Niederlage bei der HG O-K-T nicht besser geworden. Wie erwartet gewann der TV Wattenbek gegen den TSV Travemünde deutlich mit 32:22, schob sich damit am MTV vorbei und den MTV damit auf den zehnten Tabellenrang.
Der zweite Rückkehrer ins Team, der die letzten Auftritte der Truppe jenseits eines Ozeans verfolgen musste, MTV-Coach Sebastian Grenz, saß am vergangenen Wochenende in den USA am Liveticker und geriet nicht weniger in Verzweiflung, als alle anderen MTV-Fans, die erst ungläubig staunend erleben durften, dass die Grün-Weißen O-K-T in der ersten Hälfte im Griff hatten und mit vier Toren Vorsprung in die Pause gingen, um gleich darauf nur noch ungläubig mitansehen zu müssen, wie auch diese Partie verloren ging. Sebastian Grenz hatte der heftige Schneesturm, der die Ostküste der USA mehr oder weniger komplett lahmgelegt hatte, zusätzliche zwei Tage im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verschafft.
Vergangenen Montag kaum in Berlin gelandet, machte sich der Altlandsberger Übungsleiter auf den Weg in die Erlengrundhalle, um sich gemeinsam mit seinen Schützlingen auf die kommende, schwierige und wichtige Begegnung gegen den TSV Nord vorzubereiten: “Dass wir am Ende gegen O-K-T verloren haben, muss aus den Köpfen. Jetzt ist Verdrängung angesagt, zum Aufarbeiten haben wir keine Zeit. Hängen bleiben muss, dass wir über weite Strecken das Heft des Handelns in unserer Hand hatten. Mit diesem Gedanken im Kopf und Gefühl im Bauch müssen wir am Samstag gegen Harrislee ans Werk gehen. Dass der TSV Nord ein großes Kaliber ist, dass sie im Gegensatz zu uns auf eine bisher herausragende Saison zurück blicken können, das alles spielt jetzt überhaupt keine Rolle. Das einzige was zählt: Wir müssen und werden alles daran setzen, Harrislee zu schlagen. Ganz gleich wie, solange wir nur ein Tor mehr machen als unsere Gäste.”
Dass Harrislee auch gegen vermeintlich deutlich unterlegene Teams anfällig sein kann, hat schließlih ausgerechnet der TSV 1860 Travemünde gerade erst am 16. Februar unter Beweis gestellt. Den Raubmöwen gelang das Kunststück und die Sensation als vorletztes Team in der Tabelle die damaligen Tabellenführerinnen aus Harrislee denkbar knapp (23:22), aber dennoch zu schlagen. “Ein Ergebnis, dass in doppelter Weise für uns große Bedeutung hat”, erläutert Sebastian Grenz. “Positiv, weil es zeigt, dass selbst eine Mannschaft aus der unetern Tabellenhälfte mit der richtigen kämpferischen Einstellung von der ersten bis zur letzten Minute dem TSV Nord Paroli bieten kann. Wenn Travemünde das gelingt, weshalb sollte es uns dann nicht auch gelingen? Negativ, weil der vollkommen unerwartete Erfolg nun Travemünde bis auf einen Punkt an uns herangeführt hat.”
Genau das ist es, was auch die MTV-Mädels dringend benötigen: einen vollkommen unerwarteten Erfolg gegen ein Team aus den Spitzengefilden der Tabelle der 3. Liga Nord. Denn so prekär die Lage für die MTV-Damen im Abstiegskampf auch sein mag, es ist keineswegs ausgemacht, dass alles nicht noch schwieriger werden könnte. Die eigene Partie um 19:30 Uhr am kommenden Samstag ist nicht die einzige aus Sicht des MTV enorm wichtige. UM 16:30 Uhr empfängt Travemünde den FHC. Gelingt den Nordlichtern eine ähnliche Sensation wie gegen Harrislee, steht fest, dass auch Travemünde, bei einer Niederlage des MTV gegen den TSV Nord, an Altlandsberg vorbeiziehen würde. Am Sonntag spielt der TSV Wattenbek um 15:00 in Oyten. Gewinnt Wattenbek rückt der letzte Nichtabstiegsplatz für den MTV in noch weitere Ferne. Erst Recht wenn dann am Sonntag der Woche drauf der MTV auch noch in Wattenbek verlieren sollte.
“Es nützt nichts zu versuchen, den Druck von den Mädels fern zu halten. Das sind intelligente, junge Menschen, die eine Tabelle auch ganz alleine lesen können”, betont MTV-Coach Sebastian Grenz. “Wenn wir das Abstiegsgespenst bannen wollen, müssen wir ihm unerschrocken ins Gesicht blicken. Ich erwarte von meiner Mannschaft, dass jede einzelne jetzt den Charakter an den Tag legt, ohne den man eine solche sportlich existenzielle Herausforderung nicht bestehen kann. Und endlich den Handball, den wir in Kropp 45 Minuten lang gezeigt haben, über die kompletten 60 Minuten. Wir sind unseren Fans, unseren Sponsoren und unserem Verein nichts weniger schuldig.”