Meister unter sich
Die Aufgabe, die Fans in der Erlengrundhalle vor dem Damen-Drittligamatch so richtig auf Betriebstemperatur zu bringen, fällt am kommenden Samstag der weiblichen A-Jugend des MTV 1860 Altlandsberg zu (Anwurf: 17:00 Uhr). Um der Besonderheit dieses Spieltages zusätzlich Tribut zu zollen, führt der Oberliga-Spielplan die amtierenden Berliner Meisterinnen (BFC Preußen) gegen die amtierenden Brandenburgerinnen Landesmeisterinnen (MTV).
Angesichts all des Gerennes und Geschreis auf der Platte, neigt der interessierte Handball-Fan dazu, die Damen und (meist immer noch) Herren auf der Bank zu übersehen. Vielleicht, weil das Kärtchen um ihren Hals nur ein „B“ ziert. Alles Verschleierungstaktik. Die mit dem „B“ sind die eigentlichen Herrinnen und Herren der Manege. Sie sind die (neudeutsch jetzt) Coaches, die am Ende alles verantworten. Das Training. Die Aufstellung. Die Taktik. Das Ergebnis.
Zum Beispiel Sven Plötz (der allerdings habituell zum Kärtchen mit dem „A“ greift) auf Seiten des BFC. Bis 2016 begleitete er die Frauen des Vereins über zehn Jahre lang von Aufstieg zu Aufstieg, Liga zu Liga, um sich dann unmittelbar der Jugend zu widmen. Natürlich wieder den Damen. Genauer: den Mädels der weiblichen A-Jugend, die er in der vergangenen Saison ohne auch nur ein einziges Pünktchen abzugeben zum Berliner Meistertitel führte. Wer Plötz als Frauen- oder Mädchenversteher bezeichnet, sollte wissen, dass dies in den Ohren des Meistertrainers nichts als pures Lob und tiefe Anerkennung bedeutet.
Nicht anders als für Michèl „Michi“ Mölter auf Seiten des MTV. Auch er ist als Trainer einer Männermannschaft irgendwie nicht vorstellbar. Auch er führte diverse Damenteams in Berlin von der Neugründung aufs Treppchen der Stadtliga, begleitete parallel dazu mehrere Jugendmannschaften in die Verbandsliga, die höchste Spielklasse der Bundeshauptstadt, und dort zum Meistertitel. Nicht anders als die MTV-A-Jugendlichen, die nach Mölters ersten Altlandsberger Jahr mit Glück und Spucke ihre Brandenburg-Meisterschaft feiern durften. Und als ob das nicht genügte, formierte er auch die 2. Damenmannschaft des MTV neu und hat mit ihr in der Brandenburgliga nach sechs Spieltagen noch keine Partie verloren.
Umso bezeichnender, dass beide, Sven Plötz und Michèl Mölter, niemals auf den Gedanken kommen würden, sich selbst wichtiger zu nehmen als „ihre“ Mädels. Stets und stetig stehen die Interessen, Nöte und Wünsche der Spielerinnen im Vordergrund, ohne dass es deshalb an der notwendigen Führung fehlen würde. Das ist nicht nur großer Sport, das ist große Kunst.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass beide Juniorteams, das des BFC wie das des MTV, derzeit in der Oberliga Ostsee-Spree gehörig Lehrgeld zahlen müssen. Die Berlinerinnen durften nach einem gefeierten Auftakterfolg gegen die Fortunen aus Neubrandenburg (19:13) gegen die zweite Mannschaft des FHC in Frankfurt wie gegen die zweite Mannschaft der Füchse in eigener Halle ebenso deutliche wie schmerzhafte Niederlagen quittieren (15:33 gegen den FHC, 16:28 gegen die Füchse).
Womit die samstäglichen Gäste in der Tabelle immer noch um zwei Plätze besser dastehen als die Altlandsberger Jungtalente. Nach vier Spielen halten dieA mit vier zum Teil ebenso deutlichen Niederlagen auf dem Konto die Rote Laterne der Liga in Händen. Mit anderen Worten: höchste Zeit, vor den heimischen Fans den Schalter umzukippen und den ersten Heimsieg einzufahren, was auch tabellarisch bedeutsam wäre.
Den Respekt vor den großen Namen in der Oberliga haben die Mädels in grün-weiß mittlerweile abgelegt. Sie brennen darauf, sich selbst zu belohnen für die vielen Stunden aufreibenden Trainings sowie für den Charakter, sich angesichts der bisherigen Niederlagen den Schneid nicht abkaufen zu lassen. „Hat jemand gesagt, dass das einfach wird?“, schaut Michi Mölter in die Runde. „Es wird im Gegenteil sehr, sehr schwierig. Die BFC-Girls benötigen die Punkte nicht weniger dringend als wir und gegen wen soll man die holen, wenn nicht gegen die Tabellenletzten.“
„Aber wenn es einfach wäre, würde es bekanntermaßen Fußball heißen“, fügt der Altlandsberger Übungsleiter schmunzelnd hinzu. Eine kecke Anspielung auf den offiziellen Vereinsnamen der Gegnerinnen?